15.09.2004
Wir wollen einen neuen Namen
Albert-Griesinger-Schule holt Nazi-Vergangenheit ihres Patrons ein
Von Sören Rabe
Nordweststadt. Eine weitere Schule beantragt eine Namensänderung. Nach Heinrich-Steul-, jetzt Viktor-Frankl-Schule, will sich nun auch die Albert-Griesinger-Schule im Gerhart-Hauptmann-Ring 240 a von ihrem Namenspatron lösen. Der Grund: die nationalsozialistische Vergangenheit des Pädagogen.
Albert Griesinger (1881-1952) war Heilpädagoge und von 1913 bis 1945 Rektor der Hallgartenschule. Als Pädagoge war Griesinger nicht unumstritten – eine Klage wegen körperlicher Züchtigung blieb ohne Erfolg, da ihm keine Schuld nachgewiesen werden konnte. Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 begann für den Leiter der Sonderschule eine schwierige Zeit. Seinen frühen Eintritt in die NSDAP vollzog er nach eigenen Angaben wegen der Belange der Schule, die er als Betreuungsstätte für geistig zurückgebliebene Kinder gefährdet sah. Nach Beendigung des Zweiten Weltkriegs wurde Griesinger durch die Militärregierung auf Grund seiner Parteizugehörigkeit seines Amtes enthoben. 1948 erfolgte die Wiedereinstellung als Hilfslehrer, was einem Mann wie Griesinger jedoch wie ein Hohn vorkommen musste. Am 24. Oktober 1952 verstarb er im Alter von 71 Jahren.
Jetzt hat sich die Schulleitung dazu entschlossen, den Ortsbeirat 8 (Heddernheim, Nordweststadt, Niederursel) um eine Namensänderung zu bitten. Einen Vorschlag liefert Peter Walter gleich mit: Valoraschule. Valora ist Esperanto und heißt übersetzt «wertvoll». «Das passt zu uns», sagt der Schulleiter. Denn nicht nur, dass die Schule wertvoll ist, sondern genauso auch die behinderten Kinder, die hier unterrichtet werden. Auf die Kunstsprache Esperanto seien die Pädagogen gekommen, weil diese Sprache zur Völkerverständigung entwickelt wurde. «Und bei uns werden Kinder und Jugendliche aus 25 Nationen unterrichtet.» Ein besseres Beispiel für Völkerverständigung als die Schule im Gerhart-Hauptmann-Ring 240 a ist kaum zu finden.
Doch erst einmal muss sich Peter Walter mit den Unzulänglichkeiten an seiner Schule beschäftigen. Zum Schuljahr 2005/06 kann die Albert-Griesinger-Schule zwar Klassen an die neue Riedbergschule auslagern. Doch diesem Vorschlag des Stadtschulamtes stimmte die Schule für Praktisch Bildbare «nur zähneknirschend» zu, so Schulleiter Peter Walter. Denn auch die Auslagerung von vier Klassen zu je sieben Schülern ändere kaum etwas an der angespannten Situation. «Dann entspannt sich unsere Raumnot etwas, aber pädagogisch bringt es überhaupt nichts.» Denn nach wie vor steht das Ziel einer Ganztagsschule. Doch mit den 200 Kindern und Jugendlichen an der Schule, die nur für 140 ausgerichtet ist, kann Peter Walter zurzeit nur davon träumen.
Aktuell musste erneut ein Fachraum in einen Klassenraum umgewandelt werden. Auch die jetzt mit dem Stadtschulamt abgesprochene Auslagerung von vier Klassen an die Riedbergschule für drei Jahre sieht Peter Walter skeptisch. «Wenn die Klassen von uns abgekoppelt und an die Grundschule angeschlossen werden, benötigen wir weitere Lehrkräfte. Da hat das Staatliche Schulamt schon abgewunken.» Und wenn sich die Klassen andererseits an den Schulzeiten am Gerhart-Hauptmann-Ring orientieren, gibt es Transport-Probleme. Schon jetzt gibt es keine verbindlichen Anfangszeiten, weil nicht genügend Busse zur Verfügung stehen. Viele Kinder und Jugendliche müssen lange Fahrten in Kauf nehmen. Die würden sich noch ausweiten.
Die Lösung wäre ein zweiter Standort einer Schule für Praktisch Bildbare in Frankfurt. Bereits im Haushalt 2002 waren Planungsmittel vorgesehen, geschehen ist aber nichts.
Das fordert auch der Elternbeirat der Schule, der am Wochenende zum Schulfest eingeladen hatte. Dabei demonstrierten die Eltern ihre Bereitschaft, sich für die Einrichtung einzusetzen. Zur Freude von Peter Walter und seinen Kollegen, die an diesem Nachmittag Zeit für Gespräche fanden, statt mit Organisationsaufgaben beschäftigt zu sein.
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