13.10.2008
Der Schlag traf die ganze Familie
«Nicht zu wissen, was mit dem eigenen Kind nicht stimmt. Das war das Schlimmste.» Die Frankfurterin Samantha Becker fühlt immer noch einen Schauder, wenn sie an die Monate der Ungewissheit zurückdenkt.
Vor gut drei Jahren war ihre Tochter Darlin auf die Welt gekommen. Samantha und Frank waren überglücklich. Die Ärzte bemerkten an dem kleinen Blondschopf nichts auffälliges. Doch der Mutter kamen schon nach kurzer Zeit erste Zweifel. «Ich bemerkte nach etwa zweieinhalb Monaten, dass irgendetwas nicht stimmte», erzählt Samantha Becker. Darlins linke Körperhälfte schien dem Willen des Kindes nicht so gehorchen zu wollen wie die rechte.
Da begann die Angst. Und die scheinbar nicht enden wollende Serie von Arzt-Besuchen, Untersuchungen und Diagnose-Versuchen. Lange blieben die Mediziner ratlos, kein Arzt konnte sagen, was mit dem Säugling nicht stimmte. Ein halbes Jahr dauerte das Warten und Bangen an. Als das Baby schon elf Monate alt war, kam die Ärzte endlich seiner Krankheit auf die Spur. Schlaganfall. Erlitten schon im Mutterleib.
Samantha Becker und ihr Mann hatten bis dahin nicht einmal gewusst, dass es so etwas gibt. «Mit so etwas rechnet bei Kindern und vor allem bei einem Neugeborenen ja niemand.» Dennoch war sie froh, endlich eine Diagnose zu haben. Zu wissen, warum sich Darlin anders entwickelt als andere Kinder. Doch die Ungewissheit wurde auch von Selbstzweifeln und Grübeleien abgelöst. «Ich habe mir riesige Vorwürfe gemacht. Schließlich hat Darlin denn Schlaganfall noch im Mutterleib erlitten. Immer wieder fragte ich mich, ob ich etwas hätte anders machen, ob ich meine Kleine davor hätte beschützen können», erzählt Samantha Becker.
In dieser Zeit stieß die kleine Familie auf das Projekt «Kinder und Schlaganfall» der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe. Sie gingen zu den Familienseminaren, fanden im Kontakt zu anderen Trost und Beistand. «So haben wir sehr viel gelernt und andere Familien getroffen», erzählt Frank Becker. Dass jährlich ungefähr 300 Kinder bundesweit einen Schlaganfall erleiden, ist ein fast unbekanntes Phänomen. Häufige Symptome bei den Kindern sind halbseitige Lähmungen und der Verlust der Sprachfähigkeit.
Nur selten bemerkt ein Arzt sofort, was mit dem kleinen Patienten passiert ist. «Viele Eltern, die wir inzwischen kennengelernt haben, haben eine ganz ähnliche Geschichte hinter sich wie wir», erzählt Samantha Becker. Das gilt auch für die übrigen fünf Familien, die am Wochenende der Einladung von Mandy Metzmacher, Frankfurts Apfelweinkönigin, gefolgt waren. Schon zum zweiten Mal hatte sie zum Kinderfest in den «Lahmen Esel» eingeladen, das Gasthaus, das Ehemann Thomas Metzmacher im Krautgartenweg in Niederursel betreibt. Seit Beginn ihrer Amtszeit unterstützt Mandy Metzmacher, selbst dreifache Mutter, das Projekt «Kinder und Schlaganfall». Wo immer sie kann, sammelt sie dafür Spenden – und einmal im Jahr holt sie eben betroffene Frankfurter Familien zusammen.
3230 Euro konnten die Metzmachers nun der Deutschen Schlaganfall-Hilfe übergeben. Gesammelt beim Stöffche-Fest auf der Zeil, unter den Gästen des «Lahmen Esels» und bei anderen Auftritten der Äpfelweinkönigin. «Dieses Geld wird für eine halbe Arztstelle an der Kinderambulanz der Uniklinik Münster ausgegeben», verspricht Michael Beune, der das Projekt «Kinder und Schlaganfall» betreut.
Auch Samantha und Frank Becker sind vom Einsatz der Äpfelweinkönigin begeistert. «Es ist wichtig, das mehr Geld und vor allem Aufmerksamkeit auf diese Krankheit verwendet wird. Zu oft wird erst sehr spät mit einer Therapie begonnen, weil bei Kindern eben keiner auf die Idee kommt, dass es ein Schlaganfall sein könnte», sagen die Beckers.
Die kleine Darlin sitzt derweil auf dem Schoß von Mandy Metzmacher und bemalt mit speziellen Stiften einen Teller. Die kleinen Kunstwerke, die am Samstag entstanden, sind Teil der nächsten Spendenaktion. Sie werden jetzt im «Esel» verkauft. Seit Darlins Krankheit erkannt ist, hat das Mädchen enorme Fortschritte gemacht. «Anfangs hieß es, sie könne nie sprechen und laufen.» Beides hat das kleine Mädchen geschafft. Seit März geht sie in den Kindergarten. «Seitdem werden die Fortschritte immer größer», staunt ihre Mutter.
Samantha Becker ist hochschwanger, im November wird Darlins kleines Schwesterchen geboren. «Wir wollten immer zwei Kinder. Aber nachdem wir Darlins Diagnose kannten, war die Angst zu groß, das so etwas noch einmal passieren könnte», sagt Samantha Becker. «Doch schließlich überwog die Sehnsucht.» Diesmal taten die Beckers alles, was möglich ist, um das Risiko zu minimieren. «Darlin freut sich am meisten. Morgens wird immer als erstes mein Bauch begrüßt.»
Von Robin Göckes
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