31.10.2009
Spielhölle zieht ins Paradies
Schon mehr als 400 Niederurseler haben gegen eine Vergnügungsstätte im Stadtteil unterschrieben. Vor knapp zwei Jahren ist die Frankfurter Sparkasse aus Niederursel weggezogen. Seitdem steht der Laden am Tankstellendreieck leer, nur der Geldautomat ist geblieben. Der nächste Mieter wird die Entertainment GmbH sein. Eine Spielhölle. Pläne, gegen die die Nachbarn Sturm laufen.
Ein abschreckendes Beispiel ist Rödelheim. Knapp zehn Spielkasinos haben sich dort in den vergangenen anderthalb Jahren angesiedelt. Nicht besser dran sind Griesheim oder Höchst Versuche der Nachbarn und des Ortsbeirats, etwas dagegen zu unternehmen, sind gescheitert. Solange Spielcasinos im Bebauungsplan nicht ausdrücklich ausgeschlossen sind und es sich um ein Gewerbe- oder Gewerbemischgebiet handelt, gibt es keine rechtliche Handhabe. Das ist auch in Niederursel der Fall. Dort will die Entertainment GmbH solch eine Vergnügungsstätte eröffnen. In zentraler Stelle, am Tankstellendreieck in der ehemaligen Filiale der Frankfurter Sparkasse in Alt-Niederursel 1.
Es war der Historiker und ehemalige Frankfurter Denkmalpflegers Manfred Gerner, der 1994 sagte, dass es Aufgabe der Niederurseler sei, auf ihren Stadtteil zu achten, das Paradies zu bewahren. Denn der Denkmalschutz allein könne den liebenswerten dörflichen Charakter nicht erhalten. Die Bürger müssen sich selbst einmischen. Diesen Rat haben die Nachbarn 15 Jahre später befolgt. Gut 50 Niederurseler waren in die Sitzung des Ortsbeirats gekommen, mehr als 400 haben ihre Unterschrift auf eine Liste gesetzt, zeigen damit, dass ihnen ihr Stadtteil nicht egal ist – dass in den beschaulichen Stadtteil kein Spielcasino passt, dass so ein Etablissement auch gar nicht passt.
Gerner hatte das damals, es war die Eröffnung des Stadtteilfestes im Rahmen der 1200-Jahr-Feuer, ausdrücklich mit Blick auf die Bausünden am Rand von Alt-Niederursel gesagt. Und diese drohen jetzt auch noch zu veröden: Auto Liebmann, Blumengeschäft, Rechtsanwältin weg. Stattdessen nur noch Monokultur: Rewe, Döner-Bude, Internet-Laden, ein Supermarkt-Café – und jetzt auch noch Spielhalle, von der man nicht weiß, welche Klientel davon angezogen wird. Eine Situation, die den Nachbarn Angst macht. «Niederursel hat einen sehr guten Ruf. Bislang. Wir befürchten, dass er sich erheblich verschlechtern wird», sagte ein Anwohner. Eine Sorge, die das Stadtteilparament mit den Bürgern teilt.
Es war Joachim Rotberg (CDU), der in der Sitzung an den Appell Gerners erinnerte und das Engagement der Niederurseler ausdrücklich lobte – und Applaus bekam. «Wir befürchten einen zunehmenden Wegzug des Mittelstandes aus Niederursel, wenn das Wohngebiet am Karl-Kautsky-Weg durch die Spielhölle in schlechte Gesellschaft gerät», sagte Rotberg. Das betreffe auch die verbliebenen Läden wie den Friseur oder das Lottogeschäft, auch sie würden sich sicherlich nicht über eine Spielhalle freuen – und letztlich ihre eigenen Schlüsse ziehen.
Mit seinem Fraktionskollegen Piet Henningsen hatte Rotberg einen Dringlichkeitsantrag mit einem Fragenkatalog an den Magistrat vorbereitet, der vom Stadtteilparlament auch einstimmig beschlossen wurde. Dass eine Spielothek in Niederursel ansässig wird, kann es aber auch nicht verhindern. Mehr als Mittler ist der Ortsbeirat nun mal nicht.
Die Stadtverwaltung hat bislang nur eine Genehmigung für den Umbau der einstigen Sparkasse erteilt. Ein Antrag für eine Spielothek liegt dem Ordnungsamt noch nicht vor. Vorgesehen sind ein Café und dahinter zwei Räume mit Spielautomaten. Von außen wird die Spielhölle nicht einzusehen sein. Zudem dürfe im Café kein Alkohol ausgeschenkt werden. Ortsvorsteher Klaus Nattrodt (CDU) hatte sich vor der Sitzung bei der Stadtverwaltung informiert und versuchte, die Nachbarn ein wenig zu beruhigen. «Ich denke, Sie haben die Auswirkungen für die Bevölkerung ein wenig zu schwarz gemalt.» Ein wenig erfolgreicher Versuch.
Vielmehr verwiesen die Bürger auf die nur 200 Meter entfernte Heinrich-Kromer-Schule. «Die Grundschüler kommen täglich an der Spielhölle vorbei», sagte einer der Nachbarn. Zudem gibt es in unmittelbaren Nachbarschaft einen Kindergarten. Für den Nachwuchs sei ein solches Etablissement ein schlechtes Vorbild. «Die Betreiber wollen unsere Kinder spielsüchtig machen» – ein Argument, dass in der Sitzung mehrfach fiel.
Erst einmal abwarten will die Frankfurter Sparkasse, die in dem Gebäude nach wie vor einen Geldautomaten und Kontoauszugsdrucker unterhält, die Liegenschaft aber bereits 2005 verkauft hat. «Wir wollen in Niederursel weiter präsent sein», betonte Fraspa-Sprecher Mathias Behrendt. sim
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