12.08.2010
Einblicke in die Spielhölle
Der Streit um die Spielhalle in Niederursel schlägt immer höhere Wogen. Nachdem Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU) von der schwarz-grünen Koalition aufgefordert wurde, die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts zurückzuziehen, rückte gestern das HR-Fernsehen im beschaulichen Stadtteil an. Und bekam erstaunliche Einblicke.
Rote Teppiche, gülden gestrichene Wände: Eine exklusive Führung durch die Spielhalle in Alt-Niederursel bekamen all jene, die gestern eigentlich nur gekommen waren, um für die Kameras des HR-Fernsehens gegen das Etablissement zu protestieren. Das Team war angerückt, um eine Momentaufnahme zu drehen: Eine fix und fertig eingerichtete Spielhalle mit einer handvoll Automaten (die anderen wurden schon wieder demontiert) auf der einen, verärgerte Nachbarn, die sich in einer Bürgerinitiative zusammengetan und erfolgreich gegen die Baugenehmigung Widerspruch eingelegt haben, auf der anderen Seite. Menschen, die dafür kämpfen, dass ihr Stadtteil seinen dörflich-liebenswerten Charakter behält, Bürger, die sich von der Stadtregierung im Stich gelassen fühlen. Bilder, die heute Abend in der Hessenschau zu sehen sein werden.
Nach wie vor in der Kritik: Planungsdezernent Edwin Schwarz (CDU). Dieser musste sich am Dienstag in der Koalitionsrunde rechtfertigen, warum er Beschwerde gegen den Beschluss des Frankfurter Verwaltungsgerichts, nach dem die Baugenehmigung für die Spielhalle rechtswidrig ist, einlegt hat (wir berichteten). Die Koalition forderte ihn nach FNP-Informationen auf, die Beschwerde zurückzunehmen. Schwarz blockt jedoch ab, beharrt auf der Beschwerde.
Eine Sprecherin der Bürgerinitiative findet deutliche Worte: «Schwarz gehört weg!» Der Stadtrat könne seinen Einspruch weiterverfolgen, aufgeben werde die Niederurseler Initiative deshalb nicht. Zumal sie immer mehr Mitstreiter findet. «Es ist schon traurig, dass erst jetzt alle wachgerüttelt zu sein scheinen. Wir wurden lange genug hingehalten.» Da helfen auch beschwichtigende Worte und Erklärungen nicht, die eine Mitarbeiterin der «Games & More GmbH», die die Spielhalle betreiben will, abgibt. Sie sei in der Nähe gewesen und habe davon erfahren, dass sich der HR angesagt hat. Das habe sie sich nicht entgehen lassen wollen – «schließlich gibt es viele Fragen der Anwohner, die endlich beantwortet werden sollten». Zum Beispiel, was den zu erwartenden Lärm angeht, oder zum Personenkreis, der sich in solchen Etablissements aufhält. Doch die Mitarbeiterin wiegelt ab: «Von einer Kneipe, wo es Alkohol gibt, geht wesentlich mehr Lärm aus als von einer Spielhalle.» Außerdem habe das Unternehmen hochqualifiziertes Sicherheitspersonal angestellt, das wisse, was in brenzligen Situationen getan werden müsse.
Umstimmen konnte die Frau damit nicht. Auch die anschließende Führung durch die Räume konnte die Niederurseler nicht davon überzeugen, dass die Spielhalle ein ganz normaler Treffpunkt sei. «Wir sollen mit Angaben beschwichtigt werden, die nicht glaubhaft sind», sagt Jan Goßmann, Vorsitzender des Vereins Brücke 71, der schon vehement für das Gemeindezentrum im Gerhart-Hauptmann-Ring gekämpft hat. Die Beschwerde, die Stadtrat Schwarz nun wegen der Spielhalle eingereicht hat, bezeichnet Gossmann als «kleinliche Rechthaberei. Eigentlich hätte der Dezernent doch froh und dankbar sein können, «dass das Gericht so entschieden hat». Stattdessen wolle er aber offensichtlich sein Ding durchziehen.
Doch die Niederurseler erhalten immer mehr Unterstützung: Die CDU im Ortsbeirat 8 hat einen Antrag für die nächste Sitzung vorbereitet, und die SPD-Fraktion im Römer fordert in einem Antrag für die nächste Stadtverordnetenversammlung, dass Schwarz die Beschwerde zurückzieht. «Wenn die Bürger und die Politik keine Spielhalle in Niederursel wollen und die Gerichte auch noch den Klägern Recht geben, sollte der Magistrat sich nicht querstellten und gegen den Bürgerwillen arbeiten», sagte Ursula Busch (SPD), Vorsitzende des Rechtsausschusses. Das Gericht habe mit dem Beschluss den klagenden Bürgern Recht gegeben. «Damit hat das Gericht die Position der Bürgerinitiative, aber auch die Haltung des Ortsbeirates gestärkt, die beide gegen den Bau der Spielhalle sind», sagte die Stadtverordnete Busch. Anstatt sich aber über die Beschlüsse zu freuen, lege der Planungsdezernent jetzt Beschwerde ein. Damit stelle sich Schwarz gegen die Bürger und den Ortsbeirat. «Das ist uns völlig unverständlich.» Da sind die Genossen nicht die einzigen. Schließlich versteht auch die Koalition ihren Dezernenten nicht.
Der Beitrag wird heute Abend in der Hessenschau, die um 19.30 Uhr beginnt, gesendet. sim
Von Simone Wagenhaus
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