15.09.2010
Sie gibt Niederursel ein Gesicht
Stadtteilbotschafterin porträtiert 400 Menschen. Ein Jahr lang hat Raffaela Ahrendt die Bewohner von Niederursel und der Nordweststadt porträtiert. Die Fotos sind nun im Kleinen Zentrum zu sehen.
Eines haben die Menschen auf den Fotos gemeinsam, die Stadtteilbotschafterin Raffaela Ahrendt (20) porträtiert hat: Sie lächeln. Das kleine Mädchen mit den blonden Zöpfen strahlt in die Kamera, die verschleierte Frau lacht mit den Augen, der alte Mann schmunzelt in sich hinein. Es ist ein fröhliches Bild, das Raffaela Ahrendt von ihrem Stadtteil gezeichnet hat. Ein Jahr lang war die junge Frau als Stadtteilbotschafterin der Stiftung Polytechnische Gesellschaft mit ihrer Kamera in Niederursel und der Nordweststadt unterwegs (wir berichteten). Ihr Motto: «10 000 Gesichter» einzufangen.
Ganz so viele Porträts sind es allerdings doch nicht geworden; das war aber auch nicht ihr Anspruch, erklärt Raffaela. Etwas schüchtern wirkt sie zwischen den 400 Fotos von strahlenden Menschen um sie herum, die auf Stellwände gezogen in den Raum hineinragen und dadurch greifbar wirken. In ihrem Stadtteil leben 16 000 Menschen; diese Zahl als Vorgabe zu nehmen, hielt sie jedoch für vermessen. «10 000 Gesichter» fand sie passender, als Sinnbild für die Vielfalt der Bewohner, ihre Lebensgeschichten und Träume. «Die Leute sollen sich und andere wiedererkennen», wünscht sich die Hobbyfotografin und wirkt ein bisschen, als ob sie lieber die Aufmerksamkeit auf ihre Fotos als auf sich lenken möchte.
Oder auf ihre beiden Mitstreiter. Laura Grimm und Nicola Reinholz haben ihr bei ihrem Projekt geholfen, besuchten gemeinsam Stadtteilfeste, sprachen immer wieder Menschen auf der Straße an und fragten sie, ob sie kurz für ein Foto Modell stehen würden. «Die Reaktionen der meisten Leute waren positiv», freut sich Raffaela. «Vor allem die älteren Bewohner interessierten sich für unser Projekt.» Viel Geduld musste niemand beweisen. Denn die Porträts leben von der Momentaufnahme, von der Freude nach einem gewonnenen Fußballspiel etwa oder dem guten Gefühl, gerade einen Freund getroffen zu haben.
Zwischen den Besuchern der Ausstellungseröffnung ist auch Roland Kaehlbrandt, Vorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft und Jurymitglied der Stipendiumsvergabe für die Stadtteilbotschafter. 3000 Euro gibt es für die Teilnehmer, eine Summe, die im Fall von Raffaela gut angelegt ist, wie er findet: «Wir waren von ihrer Idee sofort begeistert. Der Stadtteil wird durch ihre Arbeit lebendig, die Leute suchen sich auf den Bildern, finden Bekannte und Freunde, kommen ins Gespräch.» Ob er ein Lieblingsbild habe? Die diplomatische Antwort: «Ich finde alle gelungen. Gerade die Abwechslung ist es ja, die Niederursel und die Nordweststadt ausmacht.» Aber dann sticht Roland Kaehlbrandt doch noch ein Foto ins Auge. Zwei Jungen, ein Deutscher und ein Türke, die sich freundschaftlich umarmen und in die Kamera strahlen. «Das ist gelebte Integration», findet Kaehlbrandt, «ein schönes Motiv.»
Auch Raffaela ist zufrieden mit ihrer Arbeit. Die Fotosafari hat einiges an Kraft gekostet; gerade in den vergangenen Monaten, als sie zudem ihr Abitur bestanden hat. Was nun folgt, weiß sie allerdings noch nicht so recht. «Irgendwas Künstlerisches», soll es sein, aber wahrscheinlich bleibt die Fotografie nur ein Hobby. Die Fotos werden auch nach der Ausstellung weiterhin zu sehen sein, versichert sie: Ein paar kommen ins Nachbarschaftsbüro, andere finden in der Kirche einen Platz. «Auf jeden Fall bleiben sie im Stadtteil», sagt sie. Und lächelt. Wie die Menschen auf ihren Fotografien. jro
Die Ausstellung «10 000 Gesichter» kann noch bis zum 20. September täglich von 16 bis 19 Uhr im Kleinen Zentrum, Thomas-Mann-Straße, besichtigt werden. jro
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