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25.05.2012

Rote Bücherzelle ist unerwünscht

Stadtverwaltung beharrt auf dem 08/15-Schrank für Niederursel. Englische Telefonzellen sind ein Hingucker – vor allem, wenn sie als Bücherschrank dienen. Während dies in vielen anderen Orten der Fall ist, weigert sich die Stadt bislang jedoch beharrlich, eine solche auch in Niederursel aufzustellen. Doch die Hoffnung ist noch nicht gestorben.

Offene Bücherschränke, ob in öffentlicher oder privater Trägerschaft, gibt es bereits in zahlreichen deutschen Städten. Häufig befinden sie sich in ausgedienten, meist englischen, Telefonzellen. Etwa in Bergen im Kreis Celle, in Eberstadt im Westerwald, in Bonn, Darmstadt oder Oberursel. Jüngst hat auch die Hofheimer Stadtverordnetenversammlung beschlossen, die historische rote Telefonzelle in der Hauptstraße in eine kleine Bibliothek umzuwandeln. Die einzige Stadt, in der rote Bücherzellen nicht erwünscht sind, scheint Frankfurt zu sein.

Eigentlich schien alles klar. In vielen Stadtteilen gibt es mittlerweile einen Bücherschrank – und auch in Niederursel sollte einer aufgestellt werden. Der Ortsbeirat 8 (Heddernheim, Niederursel, Nordweststadt) will das Projekt mit 5000 Euro aus seinem Budget finanzieren, und auch ein Pate ist längst gefunden. Der Antrag wurde im August 2011 einstimmig von den sechs im Ortsbeirat vertretenen Parteien beschlossen (wir berichteten).

Doch während das Stadtteilparlament gerne eine Originaltelefonzelle aus England als Bücherschrank sähe, rät die Stadtverwaltung im Hinblick auf den langfristigen Unterhalt, den bisher im Stadtgebiet verwendeten, mit 6000 Euro teureren Bücherschrank des Architekten Hans-Jürgen Greve vorzuziehen. Bereits mehrfach wurden Argumente ausgetauscht, eine Einigung bislang nicht erzielt.

Folgekosten als Grund

Nun verkündete Ortsvorsteher Klaus Nattrodt (CDU) in der jüngsten Sitzung des Gremiums, dass die Stadtverwaltung "die Aufstellung einer englischen Telefonzelle als Bücherschrank definitiv verweigert" – wegen der Folgekosten. Eine Mitteilung, die für Entrüstung in den Fraktionen sorgte. Denn es sei keinesfalls ersichtlich, warum die Folgekosten für eine ausgediente Telefonzelle höher seien als für den 08/15-Bücherschrank, der derzeit der Favorit der Stadtverwaltung ist. Nicht nachvollziehbar sei auch die Aussage, dass die Telefonzellen anfälliger für Vandalismusschäden seien, so die einhellige Meinung der Stadtteilpolitiker.

"In Oberursel steht seit Jahren eine solche Bücherzelle. Folgekosten sind dort nicht entstanden. Ich kann nicht nachvollziehen, dass uns der Magistrat etwas aufzwingen will, was uns nicht gefällt", sagt Helga Diehl (SPD). Auch Grünen-Chef Erik Harbach bekräftigte sein Nein zur "Friss-oder-Stirb-Mentalität" der Stadtverwaltung: "Der Sachbearbeiter am Schreibtisch scheint sich vorzustellen, dass hier nur Vandalen leben. Ich denke, wir sollten den Versuch wagen." Dem schloss sich seine Fraktionskollegin Yvonne Gondolf an: "Es kann sein, dass er nach drei Tagen umgestürzt wird – was aber nicht heißt, dass wir dann unbedingt Ersatz wollen. Es kann aber auch sein, dass die Bücherzelle 30 Jahre steht."

Vandalen in Bockenheim

Garantien kann es freilich keine geben – weder für die Bücherzelle noch für den Bücherschrank, wie dieser Fall von Anfang dieses Jahres zeigt: Vermutlich in der Silvesternacht hatten Unbekannte den Bücherschrank in der Leipziger Straße umgeworfen und dadurch schwer beschädigt. Es war allerdings nach Seckbach, wo Unbekannte dem Bücherschrank auf dem Atzelbergplatz die Scheibe eingedrückt hatten, erst der zweite Fall von Vandalismus gegen diese kleinen Bibliotheken.

"Ich halte dieses Vorgehen der Verwaltung für nicht rechtens. Es gibt einen Etat für den Ortsbeirat, die Verwaltung ist lediglich ausführendes Organ", sagte Werner Caspar (CDU). Er könne sich außerdem nicht vorstellen, dass diese massive Konstruktion weniger stabil sei als der 08/15-Bücherschrank. Joachim Rotberg (CDU) bezeichnete das Vorgehen der Stadtverwaltung als "befremdlich", erinnerte aber daran, dass der Ortsbeirat auch den Rahmenplan Alt-Niederursel, der auch die Ecke Weißkirchener Weg/Gerhart-Hauptmann-Ring einschließt, im Auge behalten muss. Dennoch fordert er, wie auch SPD-Chef Jürgen Schmidt, dass das Straßenbauamt, dessen Projektgruppe Nahmobilität vor drei Jahren den ersten Schrank auf dem Merianplatz aufgestellt hat, entweder eine schriftliche Stellungnahme mit nachvollziehbarer Begründung abgibt, in einer Ortsbeiratssitzung Rede und Antwort steht oder zu einem Ortstermin gebeten wird.

Für und Wider abwägen

Heike Reiche, stellvertretende Leiterin des Straßenbauamts, gibt sich bedeckt. "Wir werden innerhalb der Stadtverwaltung nochmals das Für und Wider abwägen und dann auf den Ortsbeirat zugehen." Jetzt stellt sich nur noch die Frage, in welchem Zeitraum dies geschieht. Schon jetzt zeichnet sich aber ab, dass die Niederurseler vom Antrag bis zur Umsetzung am längsten warten müssen.(sim)



Artikel Frankfurter Neue Presse vom 25. Mai 2012.

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