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10.06.2015

Eingemeindungsvertrag: Niederursel schoss den Bock ab

Tja, man kann es nicht anders sagen: Die Niederursels haben es verbockt. Im wahrsten Sinne des Wortes, damals bei der Eingemeindung im Jahr 1910. Doch herausgekommen ist das erst jetzt – dank eines Antrag des Ortsbeirats 8 (Klaa Paris, Niederursel, Nordweststadt). Dabei sollte der ursprünglich nur ein Scherz zum Fastnachtsdienstag sein. Dumm gelaufen. Doch von vorne.

Im Eingemeindungsvertrag vom 29. März 1909 hat die Stadt Frankfurt in Paragraf 17 zugesichert, den Unterhalt des Zuchtbullen, des Zuchtebers und des Zuchtziegenbocks für Niederursel zu gewährleisten (wir berichteten). Doch seit Jahrzehnten wurden sie im Stadtteil nicht mehr gesehen. Deshalb drohte Niederursel im Februar mit Trennung von der Stadt.

Angeblich habe die Stadt den Vertrag gebrochen. Doch weit gefehlt, wie jetzt aus einer Stellungnahme des Magistrats hervorgeht. Vielmehr müssen sich die Niederurseler, besser gesagt ihre Ahnen, vorwerfen lassen, das Vertragswerk offensichtlich nicht genau gelesen zu haben.

Im Gegensatz zu dem gewitzten Beantworter des Ortsbeiratsantrags. Es stimme, dass sich die Stadt im Eingemeindungsvertrag zur Unterhaltung des Zuchtbullens, des Zuchtebers und des Zuchtziegenbockes verpflichtet habe. Aber eben nur des damals lebenden Vertreters seiner Art. „Aus dem Wortlaut des Vertrages ist insbesondere nicht die Verpflichtung zum Aufbau und Betrieb einer Zucht, die auf diesen fraglichen Tieren basiert, herzuleiten; vielmehr bestand nur die Verpflichtung der Stadt, die in dieser Vorschrift genannten im Jahre 1909 lebenden Tiere bis zu ihrem Ableben zu versorgen.“ Und tot sind die längst. Der Zuchtbulle. Der Zuchteber. Genauso wie der Zuchtziegenbock.

Genau. Der Teufel steckt im Detail. Hätten die Niederurseler den Fortbestand ihrer tierischen Landwirtschaft für alle Zukunft sichern wollen, hätten sie auf einer anderen Formulierung beharren müssen. Etwa so: Die Stadt Frankfurt verpflichtet sich zur Unterhaltung eines Zuchtbullens, eines Zuchtebers und eines Zuchtziegenbockes.

Für Dr. Joachim Rotberg, Historiker und Niederurseler Ortsbeirat, sind das Spitzfindigkeiten: „Die Stadt will sich nur ihrer Verantwortung für die Landwirtschaft entziehen“. Die Niederurseler Schöffen hätten damals, 1909, gut verhandelt, speziell zum Wohl der Tiere. „So wurde zum Beispiel der Frankfurter Schlachthauszwang erst 1926 eingeführt. Die Niederurseler Rinder konnten also weiter ,zu Hause‘ sterben. Und die Steuer für die Dorfhunde wurde sogar bis 1930 auf 12 Reichsmark im Jahr eingefroren. Finanzpolitisch ein toller Coup“, so Rotberg.

Der CDU-Fraktionsvorsitzende Ralf Porsche wirft dem Magistrat eine falsche Auslegung des Eingemeindungsvertrages vor: „Ist da nicht eher die ,Institution Zuchttiere‘ im Allgemeinen und nicht der damalige Tierbestand im Besonderen gemeint?“, fragt er.

Klären lassen will das der Niederurseler in einem neuen Antrag. Dieser soll nach Informationen dieser Zeitung zum Fastnachtsdienstag 2016 vorliegen.



Artikel Frankfurter Neue Presse vom 10.06.2015 Von Simone Wagenhaus

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