10.05.2017
Die Alters-WG
Die Senioreninitiative Sense zeigt, wie ältere Menschen gemeinsam leben können.
Roswitha Hill ist die jüngste hier. Das Küken, sagt sie. Mit 62 Jahren. Roswitha Hill teilt sich in Niederursel ein Haus mit zwölf anderen Senioren im Rentenalter. Kein Altenheim, keine Einrichtung. „Wir sagen Projekt“, sagt sie. Ein Projekt für gemeinschaftliches Wohnen im Alter. Hier am Weißkirchener Weg sieht das so aus: Ein Mann und zwölf Frauen im Alter zwischen 62 und 92 Jahren leben auf drei Etagen jeweils in ihrer eigenen Wohnung. Das Haus wurde extra für diesen Zweck gebaut. Seit sieben Jahren teilen sie sich einen Gemeinschaftsraum, einen kleinen Garten und ihren Lebensabend.
Ende 40 ist Roswitha Hill alt, da macht sie sich schon Gedanken darüber, wie sie im Alter einmal leben will. Die alleinerziehende Mutter fragt sich, wer sie unterstützen kann, wenn sie alt ist. „Es war mir wichtig, dass ich meine Kinder nicht belaste“, sagt Hill. Unter Gleichgesinnten wollte sie leben, selbstbestimmt.
Also macht Hill sich auf die Suche nach Gleichgesinnten. Und findet die Initiative Sen-Se: Senioren-Selbsthilfe für gemeinschaftliches Wohnen. Anke Mansky hat im Jahr 2001 die Initiative ergriffen und mit einer Zeitungsannonce Menschen gefunden, die sich für neue Formen des Zusammenlebens im Alter interessieren. Schon fünf Jahre später ist ihr Verein Sen-Se erfolgreich. Mit der Nassauischen Heimstätte finden sie einen Bauträger, der in Niederursel ein freies Grundstück bebaut. Niederursel, das ist der Stadtteil der Alten und der ganz Jungen. Etwa einer von fünf ist hier unter 18 Jahren alt, ein weiterer von fünf ist mehr als 65 Jahre alt. Mit einem Durchschnittsalter von 42,8 Jahren befindet sich der nördliche Stadtteil im Frankfurter Vergleich auf den hinteren Plätzen. Das liegt auch an der Nordweststadt. Als in der sechziger Jahren die fertigen Häuser bezogen wurden, kamen jungen Familien. Die Kinder gingen als sie groß waren, die Eltern blieben. Und wurden älter.
So wie Maria Lange. Die 92-Jährige gehörte zu den ersten, die damals am Weißkirchener Weg mit ihrer Familie eine Wohnung bezog. Inzwischen ist sie Urgroßmutter und hat sich in die Haus-Gemeinschaft eingemietet.^
Alle hier teilen die Bereitschaft, sich auf eine neue Lebenssituation einzulassen. „Das Beste, was mir passieren konnte“, sagt Katharina Cychy. Die 86-Jährige ist erst später zur Hausgemeinschaft hinzugekommen. Eine Wohnung war frei geworden. Vier der Mitbewohner sind seit 2010 verstorben. Auch der Tod gehört zur Gemeinschaft dazu. Das bedeutet gemeinsame Trauer, gemeinsame Erinnerung. Cychy hat das geholfen, als sie hier einzog, sagt sie. Nachdem sie ihr Haus verlassen hatte, ihr Ehemann gestorben war. „Ich bin hier so gut aufgenommen worden“, sagt Cychy. „Ich fühle mich richtig wohl.“
Artikel der Frankfurter Rundschau vom 10.05.2017. Von Klaas Mucke
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