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16.11.2018

Der Landwirt, der sein Land an die städtische Wohnungsbaugesellschaft verkauft hat

Er ist ein Gegner des Stadtteils zwischen Niederursel und Steinbach. Jetzt hat er trotzdem seine Äcker zu Geld gemacht. Dass er sich damit keine Freunde macht, ist ihm klar. Ein Stimmungsbericht.

Nicht wieder den Kürzeren ziehen wie sein Vater in den 60er Jahren in der Nordweststadt, wie in den 90er Jahren am Riedberg. Deshalb, sagt er, der Frankfurter Landwirt, hat er der städtischen Wohnbaugesellschaft ABG Holding seine Äcker verkauft. Die Nachricht schlug gestern ein wie eine Bombe. Es geht um den geplanten Stadtteil zwischen Niederursel und Steinbach, es geht um Wohnungen dort, wo heute noch angebaut und geerntet wird. Es geht um Existenzen von Landwirten, um Visionen von Stadtpolitikern. Es geht um die Zukunft, sagen alle.

„Keine Zukunft“

Die Landwirtschaft in Frankfurt habe keine Zukunft, sagt der Landwirt, der verkauft hat. Seinen Namen verschweigen wir. Das Wort vom Verrat macht die Runde im Online-Forum „Steinbacher Stadtgespräch“, dort, wo der Widerstand gegen den Stadtteil so groß ist wie der Argwohn gegen Frankfurts Politik. „Kann jeder denken, was er will“, sagt der Landwirt, der verkauft hat. Am Riedberg hat sein Vater einst Ackerboden für 23 Euro pro Quadratmeter hergeben müssen, weil der Druck durch die Stadt immer größer geworden sei. Bald habe das Bauland mehr als 600 Euro eingebracht, ein Luxusquartier entstand. Dieses Mal hat er, der Landwirt, die Initiative ergriffen. Warum jetzt? Warum überhaupt, wo er doch zu jenen gehört hat, die sich wehren gegen das Megaprojekt für 30 000 Menschen: „Kein Kommentar mehr“, sagt der Landwirt.

7,3 Hektar, eine Fläche von gut zehn Fußballfelder, hat er der städtischen Wohnungsbaugesellschaft angeboten: 1,75 Hektar östlich der Autobahn 5 hat die Stadt gekauft, auf 5,55 Hektar westlich der A5 hat sie eine Option, fixiert ist da noch nichts. Im Schnitt 100 Euro pro Quadratmeter, also etwa 1,7 Millionen Euro, habe die ABG Holding gezahlt, sagte deren Geschäftsführer Frank Junker gestern und fasste den Wert des Vertrags so zusammen: „Jetzt kommen wir der Realisierung von dringend benötigten Wohnbauflächen ein gutes Stück näher.“

Frankfurts Planungsdezernent Mike Josef (SPD) wiederum betont zwar, dass mit dem Kauf keine Vorentscheidung für den Stadtteil gefallen sei und man „selbstverständlich“ die in der Stadtverordnetenversammlung vereinbarten Gutachten zu Klima, Lärm und Verkehr abwarte, als Erfolg will er die 7,3 Hektar aber schon verbuchen. „Ein wichtiger Schritt.“ Vor allem in Hinsicht auf günstige Wohnungen. Zudem hofft zudem auf eine Art Dominoeffekt: Die Phalanx jener Landwirte, die bislang geschlossen gegen den Stadtteil aufgetreten waren, könnte bröckeln.

Frankfurts Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) formuliert es so: „Ich bin begeistert, dass wir vor Ort Partner und Unterstützung für dieses für Frankfurt so wichtige Projekt finden.“ Und der OB sagt noch einen Satz, der besonders bei Christdemokraten aus dem Frankfurter Norden Verwunderung auslöst: „Mit der klaren Zustimmung der Koalitionsparteien CDU, SPD und Grünen hat die ABG nun die Rückendeckung, um den Stadtteil voranzubringen.“

„Vertrauensverlust“

Veljko Vuksanovic hat von dieser klaren Zustimmung bis gestern nichts gewusst. Der CDU-Mann ist Ortsvorsteher in Praunheim und entschiedener Gegner des neuen Stadtteils. Als solcher wähnte er seine Parteikollegen im Römer mindestens halbwegs auf seiner Seite. Sie und die Grünen waren es, die in der Stadtverordnetenversammlung ein Gutachten durchgeboxt hatten. Ob der Stadtteil zwischen Niederursel und Steinbach überhaupt ökologisch vertretbar sei, wird geprüft. Bis 30. September sollte ein Zwischenbericht vorliegen, vor Ende des Jahres wird’s damit nichts. Dass ungeachtet dessen nun Baudezernent Jan Schneider (CDU) und der CDU-Fraktionsvorsitzende im Römer, Michael zu Löwenstein, im Aufsichtsrat der ABG Holding für den Kauf der 7,3 Hektar gestimmt haben sollen, ärgert Vuksanovic. „Da müssen wir reden“, sagt er und spricht von „Vertrauensverlust“.

Planungsdezernent Josef will Kritiker und Landwirte mitnehmen im langwierigen Prozess, der sich „städtebauliche Entwicklungsmaßnahme“ nennt. Zu der gibt es ein Gesetz und viele Paragrafen. Auf einen weist Josef hin: In ihm steht, dass zum harten Ende eine Kommune einen Landbesitzer auch enteignen kann.

„Genau! Und das will ich nicht erleben“, sagt er dann doch noch – der Landwirt, der verkauft hat.



Artikel Frankfurter Neue Presse, vom 15.11.2018.

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