20.12.2004
Kleiner Weihnachtsmarkt mit großer Wirkung
Die großen selbst gemalten Schilder am Praunheimer Weg weisen die Richtung.
Am Eingang zum Schulgelände der Ernst-Reuter-Schule spielen die Bläser der fünften Klasse, erfüllen den lauen Winterabend mit weihnachtlichen Klängen. Die Besucher trinken Met, lauschen den Klängen der Klarinetten, Flöten, Posaunen und Trompeten, kaufen echte Bienenwachskerzen und suchen sich den schönsten Baum für den heiligen Abend aus. Für eine Stunde wird der Weihnachtsbaumverkauf der Lehrer und Schüler der Berufsorientierung an der Ernst-Reuter-Schule II (ERS II) fast zu einem kleinen Weihnachtsmarkt.
Der Weihnachtsbaumverkauf gehört zum praktischen Teil des Unterrichts der 18 bis 21 Jahre alten Schüler. Sie besuchen eine der Klassen zur Berufsorientierung. Dort bereiten sich junge Erwachsene mit unterschiedlichen Behinderungen auf ihr Arbeitsleben vor. Noch bis Weihnachten verkaufen Lehrer Rainer Mohr-Herlitz und seine Schüler die 480 frisch geschlagenen Tannenbäume aus dem Spessart und aus Thüringen.
Aber es sind nicht nur Weihnachtsbäume, die die Schüler anbieten. Im Unterricht haben sie Weihnachtsgebäck, Stollen und Lebkuchen hergestellt, Honig produziert und aus echtem Bienenwachs Kerzen in allen denkbaren Größen und Formen gegossen. Neben «Frankforder Quetschenmamelad» gibt es Gelee, Säfte, Apfelwein und selbst vergorenen Met, das Honigbier der alten Germanen. Seit zehn Jahren gibt es diesen Verkauf bereits. «Mit den Erlös wird in notwendige Erweiterungen und Neuanschaffungen investiert», sagt Mohr-Herlitz. Benötigt würden neue Geräte für den Maschinenraum wie eine Formatsäge oder Hobel.
Drei Schwerpunkte hat die Berufsorientierung: Hauswirtschaft, Technikgruppe und Garten- und Landschaftsbau. Zu jedem Schuljahr rotieren die Jugendlichen, bilden dabei aber auch Ausbildungsschwerpunkte. «Bei uns können die Schüler an großen Geräten lernen und arbeiten, an die dieses Klientel normal nicht heran gelassen wird.» Sogar einen Rasentraktor-Führerschein können sie hier machen. Die Grünflächen auf dem 20 000 Quadratmeter großen Gelände pflegten die Schüler selbst – im Auftrag der Stadt. «Dazu gehört auch viel Technik, etwa die Wartung der Geräte.»
Auch die Grundstoffe Honig und Wachs gewinnen die Schüler für ihre Produkte selbst. «Unsere zehn Bienenstöcke haben in diesem Jahr 350 Kilo Honig erbracht. Die Bienenzargen und Rahmen für die Honigwaben bauen die Jugendlichen.» Ihre Produkte verkauft die Schule auf Märkte in der Umgebung. Außerdem gehen sie vier Mal im Jahr für jeweils vier bis fünf Wochen in Betriebe, um dort zu lernen und zu arbeiten. «Dadurch sollen sie die Realität im Arbeitsleben kennen lernen.»
Seit dem vergangenen Jahr unterstützt auch das Bläserensemble der Ernst-Reuter-Schule II den Weihnachtsbaumverkauf ihrer Mitschüler. Selbst jene Schüler, die erst vor knapp vier Monaten im Unterricht zum ersten Mal ihr Saxofon, Horn oder eine Querflöte in der Hand hielten, sind bei dem kleinen Konzert begeistert mit von der Partie. «Es ist schwierig, Lieder auszuwählen, die nicht einen so großen Tonumfang haben», sagt deshalb Musiklehrer Wolfgang Schnitt-Gauer. Einige Töne seien deshalb für die Schüler noch neu. Auch mehrstimmig spielen, wie es ein Stück erfordere, hätten sie eigentlich noch nicht gelernt. «Aber sie haben sich ordentlich reingehängt und intensiv an den Stücken gearbeitet.» Wohl am schönsten klingt die Weihnachts-Pop-Ballade «Last Christmas», mit der schon der Brite George Michael die Charts stürmte. «Das ist ein Lied, das die Kinder aus Radio und Fernsehen bereits im Ohr haben. Auch wenn es nicht sehr einfach zu spielen ist, mit seinen Punktierungen und Synkopen.» Wie auch immer, es klingt schon fast wie das Original. (hau)
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