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11.04.2005

Der kämpferische Bonhoeffer

Schauspieler zeigt den vor 60 Jahren ermordeten Pfarrer von einer anderen Seite

«Von guten Mächten wunderbar geborgen»: Mit diesem Gefühl eines im Glauben lebenden Christen machte der Pfarrer und Widerstandskämpfer Dietrich Bonhoeffer seiner Familie vom KZ Flossenbürg aus Mut. So erlebten ihn auch die Besucher der Sankt-Thomas-Kirche, als die Kantorei das vertonte Gebet aus Bonhoeffers Brief an die Eltern zum Jahreswechsel 1944/45 vollmundig anstimmte. Ein Gebet drei Monate vor der Hinrichtung am 9. April, dem die Gemeinde mit Lesungen des Publizisten Friedrich Hagemann, Orgelstücken von Mendelssohn-Bartholdy und Kirchenliedern gedachte.

Trotzdem meldete sich in den vorgelesenen Textauszügen auch ein anderer Bonhoeffer zu Wort: Der Zerrissene und Verzweifelte, der mit sich haderte und nach der Herkunft jener Kraft fragte, die ihn gegenüber seinen Wachen wie einen ruhigen Christen erscheinen ließ. Zumal sein vorheriges Wirken im Widerstand auch kämpferische Züge in ihm offenbarte: «Bonhoeffer hatte mit den Stauffenberg-Attentätern zu tun, stellte vor dem Hintergrund des Naziregimes die Frage nach der Rechtfertigung eines Tyrannenmordes. Er kann durchaus als geistiger Vater des Anschlags gelten», erklärte Hagemann im Gespräch nach seiner Lesung.

Bereits zum Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 hatte der Publizist mit seiner Textauswahl, aus der ein sehr vielseitiger Bonhoeffer spricht, zahlreiche Besucher beeindruckt. Peter Rassow von der St.-Thomasgemeinde weilte damals in Berlin und wusste sofort: «Diesen Referenten wollen wir zu einem Gedenktag bei uns in der Gemeinde haben.» Denn Hagemann stellte in Berlin ein umfassendes Bild vom Lebenswerk Bonhoeffers vor: Wer etwa wusste, dass der Theologe sogar einen belletristischen Roman von der Glaubenslehre im Alltag in Arbeit hatte? Oder in seinen Schriften ein bis heute gültiges Bild vom Christen der Gegenwart entwarf, der die Religion als bloße Hülle begreift und die Gegenwart Gottes und Christi schon im Diesseits nicht findet?

Somit ergab sich für die Teilnehmer der Gedenkveranstaltung ein sehr vielschichtiges Bild von Dietrich Bonhoeffer. Passend dazu hatte der Organist Ernst Wilhelm Schuchardt mehrere Sonaten von Mendelssohn-Bartholdy ausgewählt. Die andächtigen Orgelstücke erinnerten an den Umstand, dass die Musik des namhaften jüdischen Komponisten im Dritten Reich verboten war, sorgten zusammen mit Bachs Choral «Vater unser im Himmelreich» für eine besinnliche Untermalung der Veranstaltung.

Zur Einstimmung in seinen Vortrag wählte Hagemann Auszüge aus Bonhoeffers Romanvorlagen, um «theologisches Gedankengut belletristisch zu formulieren». Die gestrenge Dame, die auf die Wahrung der Sonntagsruhe in ihrer Gemeinde pochte und die Nachbarin, die den Sinn der Predigt als stetige Erinnerung an das wahre Wort Gottes erkannte, gaben einen Eindruck vom praktisch gelebten Glauben des Pfarrers, der sich in Abgrenzung zu den Nationalsozialisten frühzeitig der Bekennenden Kirche anschloss.

Beobachtungen, eigene Erkenntnisse über das Verhältnis des Menschen zur Religion und Prophezeiungen über die Zukunft des Christentums prägen Bonhoeffers religiöse Schriften, aus denen Hagemann einige ausgewählte Passagen vorlas. «Wir gehen einer völlig religionslosen Zeit entgegen», heißt es da etwa. Begründet wird das mit der Befürchtung, dem bisherigen Christentum werde in der modernen Zeit, in der sich die Menschen allenfalls in der Not auf Gott besinnen, der Boden entzogen. Ein Gott, der aber schon in der Gesundheit und nicht erst im Leid als solcher erkannt werden wolle.

1943 wurde Bonhoeffer in Berlin wegen «Wehrkraftzersetzung» festgenommen, schildert in seinen Schriften selbst, dass sein Aufenthalt im Gefängnis einer Isolationshaft gleichkam. Eine Situation, in der er selbst den Boden unter den Füßen zu verlieren drohte. Und doch schöpfte er aus dem Glauben immer wieder Kraft, wie Hagemann verdeutlichte: «Gott will uns in aller Notlage so viel Widerstandskraft geben, wie wir brauchen», schrieb Bonhoeffer. Ein Gott, der selbst aus dem Bösen noch Gutes entstehen lassen könne. (got)




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