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10.10.2005

Arbeiten wie vor hundert Jahren

Tag der offenen Hoftore lockte mit Handwerk, Naturkost und therapeutischen Angeboten

Der mehrere Meter hohe Turm aus übereinandergestapelten Wasserkästen schwankt bedrohlich – und fällt. Polternd stürzen die Kunststoffkästen zu Boden, während unter dem Scheunendach des pädagogisch-therapeutischen Zentrums Hof 53, einer von elf Einrichtungen und Betrieben, die zum Tag der offenen Hoftore eingeladen haben, der mit Gurten abgesicherte zehnjährige Felix schwebt. Der Zusammenbruch seines Bauwerkes lässt den Schüler unbekümmert, schließlich wartet wenige Häuser weiter schon die nächste Herausforderung.

In der 1924 erbauten Schmiede am Hof hat Wolfgang Tapp den über 80 Jahre alten Ofen angeworfen und hämmert – mit tatkräftiger Unterstützung seiner jungen Besucher – auf einen glühenden Eisenstab ein, den es zum Buchstaben B zu formen gilt. Wer den Schmiedehammer heben kann, darf zuschlagen. Tapp, dessen Vater als Schmied arbeitete, versteht sein Handwerk. Von Beruf Rohrverleger, gibt er seit 30 Jahren abendliche Schmiedekurse. Bei welcher Temperatur Eisen oder Kupfer schmilzt, interessiert den Mitbegründer des Hofes Niederursel nicht. «Wir arbeiten hier so, wie die Menschen es früher zu tun pflegten: aus dem Bach heraus und ohne wissenschaftlichen Ehrgeiz.»




Während vor dem an den Innenhof der Freien Bildungsstätte grenzenden Naturkostladen «Fruchtbare Erde» hungrige Besucher Schlange stehen, um sich an Kürbiskernecken und Antipasti zu stärken, versammeln sich in der rund 400 Jahre alten Scheune des Amselhofes Musikliebhaber zum Konzert der Harfenspielerin Sonja Ickert. Der östlich gelegene Raum der renovierten Scheune, in deren Westflügel die Amselhof Buchhandlung untergebracht ist, werde seit einem Jahr als Veranstaltungsort für Vorträge und Konzerte genutzt, erklärt Organisator Jens Heisterkamp. Bevor die Buchhandlung, das Antiquariat und der Spielzeugladen ihre Pforten öffneten, sei auf dem Grundstück eine Apfelweinkelterei untergebracht gewesen. «Die Etiketten, die früher auf die abgefüllten Flaschen geklebt wurden, dienen uns heute als Eintrittskarten.» In diesem Herbst steht unter anderem ein Vortrag der Ruanderin Esther Mujawayo auf dem Programm. Die Überlebende des Genozids an den Tutsis, die ihre Erlebnisse in dem Buch «Ein Leben mehr» festgehalten hat, wird am Donnerstag, 3. November, von 20 Uhr an in der Kirche der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde, Thomas-Mann-Straße 10, im Dialog mit Cap-Anamur-Gründer Rupert Neudeck über ihre Erinnerungen sprechen.

Während der Waldorfkindergarten Blumenkränze, selbst gemachte Marmelade und Zierkürbisse anbietet und mit einer Holzwerkstatt für Kinder lockt, informiert Schreinermeister Gerhard Ohl von der Schreinerei und Baugestaltung am Hof seine Gäste über Renovierungsarbeiten mit umweltverträglichen Baustoffen. Junge Besucher dürfen ein Vogelhäuschen zusammenzimmern. Wer nach Specksteinschnitzen, Kerzentauchen und Kistenstapeln noch bei Kräften ist, kann sich auf der Koppel des Reitclubs Niederursel beim Ponyreiten vergnügen. Das Gedränge auf dem Hof, der therapeutisches Reiten für Menschen mit körperlicher und geistiger Behinderung anbietet, ist groß – schließlich fällt der Tag der offenen Hoftore mit dem herbstlichen Vereinsturnier zusammen. «Über 200 Reiter sind heute gestartet. Rund 800 Zuschauer haben die Wettbewerbe verfolgt», erklärt Vorsitzender Rolf Döring, der Thomas, einem Mitarbeiter der Praunheimer Werkstätten, zum dritten Platz im Dressurkontest gratuliert. Nicht nur für die jungen Reiter, auch für die Mitarbeiter der Niederurseler Höfe ist der Tag ein Erfolg. «Die Resonanz war hervorragend», zieht Hiltrud Schöndorf von der Freien Bildungsstätte Bilanz. (jul)

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