06.12.2005
Wie Laura ihr Schicksal meistert Trotz Handicap Buch geschrieben
Von Alexander Müller
Niederursel. Die Kinder des Leseclubs hören gespannt zu, als Laura Weise ihnen die Geschichte von Reki, dem Rollhirsch vorliest.
Zwar kennen die Schüler der Heinrich-Kromer-Schule das Buch bereits, aber eine Autorenlesung ist selbst für die Lesebegeisterten etwas Besonderes. Die Drittklässler luden die Autorin deshalb in ihre kuschelige Leseecke ein.
Die zwölfjährige Laura ist seit ihrer Geburt spastisch gelähmt und muss im Rollstuhl sitzen. Über ihre Erfahrungen mit der Behinderung erzählt sie in ihrem Buch, das sie gemeinsam mit Großmutter Astrid Hennies geschrieben hat. «Reki oder die Geschichte vom Rollhirsch» entstand während eines zwölfwöchigen Krankenhausaufenthaltes. Um Laura die Zeit zu vertreiben, erzählte ihre Großmutter ihr abends Geschichten. Laura steuerte selbst Charaktere und Bilder bei, und so wurde schließlich ein tolles Kinderbuch daraus. «Wenn Laura eingeschlafen ist, habe ich mich an mein Laptop gesetzt und alles geschrieben, was wir uns zusammen ausgedacht haben», erinnert sich Astrid Hennies.Sowohl in Reki als auch in dem Mädchen Vali, das im Rollstuhl sitzt und Reki hilft, erzählt Laura ihre eigene Geschichte. Das Hirschkalb Reki kann seine Hinterläufe nicht bewegen und scheint keine Chance zu haben, im Wald zu überleben. Doch zum Glück hat Reki gute Freunde, die helfen und ermutigen. Sie lehren es, sich auf die Stärken zu konzentrieren. Rekis besondere Begabung ist seine wunderschöne Stimme. Mit seinem Gesang rettet er sich sogar vor einem Fuchsrudel. Diese Stelle hat den Kindern des Leseclubs besonders gefallen, weil selbst der alte mürrische Anführer der Füchse sich durch die Musik besänftigen lässt.
Laura beschreibt die Hilflosigkeit, die Reki bei den Füchsen oder während eines Waldbrandes verspürt, vor dem es nicht fliehen kann. Sie erzählt aber auch von dem Mut, mit dem die Charaktere ihrem Schicksal begegnen. Vali lässt von Schreinermeister Ernst ein Rollbrett bauen, damit Reki sich bewegen kann. «Der Mensch besteht nicht nur aus Beinen», hat der Schreiner Trost für die gelähmte Vali.
Gudrun Wagner, die den Leseclub der Heinrich-Kromer-Schule zusammen mit Hildegard Merten leitet, ist begeistert: «Die Geschichte von Reki ist nicht nur ein Kinderbuch, auch für Erwachsene ist es wirklich spannend.» Im Leseclub haben die Kinder das Buch gemeinsam verschlungen. Wagner gesteht, dass sie den Berliner Akzent der Krähe Kalle manchmal übersetzen musste, damit die Kinder Rekis Freund verstehen konnten.
Nach der Lesung durften die Drittklässler noch Fragen an die beiden Autorinnen richten. Ganz unverkrampft erkundigten sie sich, warum Laura im Rollstuhl sitzt und wie sie auf die Idee mit dem Rollhirsch gekommen ist. Als Dankeschön bekam Eintracht-Fan Laura vom Leseclub eine Tasse und einen Kalender ihrer Lieblingsfußballmannschaft überreicht. Einige Jungs überlegten sich angesichts dieser Geschenke wohl, ob sie nicht auch ein spannende Buch schreiben sollten.
Laura hat im Leseclub nicht zum ersten Mal aus ihrem Buch vorgelesen. Bereits zwei Auftritte hatte sie in ihrer ehemaligen Schule, der Ernst-Reuter-Schule, jeweils einen Termin im Sozialzentrum und einer integrativen Schule. Die Erlöse aus dem Verkauf des Buches gehen direkt auf Lauras Konto. Das Geld bekommt sie zu ihrem 18. Geburtstag. Wofür sie es ausgeben möchte, weiß sie noch nicht.
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