26.01.2006
Was Experten der Nordweststadt raten
Bildung, Ökonomie, Teilhabe am sozialen Leben und die spezifische Nutzung eines Stadtteils – ...
für den Geschäftsführer der Schader-Stiftung, Christoph Kulenkampff, sind es diese Faktoren, von denen der soziale Friede in der Nachbarschaft abhängt. «Im Gegensatz zum Gallusviertel gilt die Nordweststadt noch nicht als ethnisch geprägter Stadtteil», erläutert er seinen knapp 250 Zuhörern auf dem Informationsabend «Zuwanderer in der Stadt – Empfehlungen zur stadträumlichen Integrationspolitik» in der Dietrich-Bonhoeffer-Gemeinde. Mittelfristig aber sei sie auf dem Weg dahin. «Und unabhängig davon, wie jeder Einzelne diese Entwicklung für sich beurteilt – verhindern lässt sich das nicht.»
Eine Einschätzung, die bei dem überwiegend deutschen Publikum, mit einem vorsichtig auf 50 Jahre geschätzten Durchschnittsalter, offenkundig wenig Begeisterung hervorruft. Dabei war der Geschäftsführer dazu angetreten, den Bürgern die Empfehlungen des vom Verbundprojekt «Zuwanderer in der Stadt» initiierten Expertenforums vorzustellen, Ängste zu nehmen und zwischen den Parteien zu vermitteln. «In den Ballungszentren der Bundesrepublik ist eine Überalterung der deutschen Bevölkerung zu beobachten, während immer mehr junge Familien mit Migrationshintergrund hinzuzögen.» Diese sammelten sich in Stadtteilen wie der Nordweststadt, die in den 60er Jahren des vergangenen Jahrhunderts mit einem recht großzügigen Wohnraum gerade für Familien konzipiert wurden. «Es macht keinen Sinn, die Entwicklung von vorneherein negativ zu beurteilen.» Vielmehr müsse man sich verstärkt die Frage stellen, wie sich Integration dennoch schaffen ließe.
Deswegen prüfe derzeit ein Projektbeirat, dem neben zwei wissenschaftlichen Instituten unter anderem das Wohnungsamt, das Amt für multikulturelle Angelegenheiten sowie das Quartiersmanagement Nordweststadt angehören, inwiefern sich die Empfehlungen des Expertenforums in der Nordweststadt realisieren lassen. Hiernach sollen unter anderem in den betroffenen Stadtteilen die Schulen auch finanziell besonders gefördert werden. Unter dem Titel «ethnische Ökonomie» sei mit den entsprechenden Mitteln die Selbstständigkeit und der Unternehmergeist der Migranten zu stimulieren.
In der Nordweststadt löse sich ein weiteres Problem so möglicherweise von selbst. «Die Nordweststadt ist rein monofunktional errichtet worden», erläutert Kulenkampff. Nur Wohnen sei hier vorgesehen. «Dadurch ist der Stadtteil weniger anpassungsfähig.» Hinzu käme, dass die weiten, dicht bewachsenen grünen Flächen zwischen den Häuserblöcken bei älteren Menschen Ängste schürten, weil sie nur schwer zu überschauen seien. Außerdem müsse öffentlicher Raum hergestellt werden, wo sich ältere Menschen und Jugendliche begegnen könnten.»
Die Lösungskonzepte des Geschäftsführers ließen das Publikum größtenteils ratlos, teilweise recht streitlustig zurück. «In der Nordweststadt wird immer mehr Baufläche, deren Nutzung als gemeinnützig festgeschrieben ist, privatisiert», heißt es aus dem Publikum. Derzeit seien bereits zwei Gemeindehäuser abgerissen worden. Das Bistum Limburg hat nun auch noch vorgeschlagen, die Gebäude der St.-Matthias-Gemeinde zu verkaufen. Der vorhandene öffentliche Raum verschwände zusehends. Das Schicksal teile auch das Kleine Einkaufszentrum an der Thomas-Mann-Straße. Nur noch ein Drittel der Geschäftsräume werde hier genutzt, das Zentrum sei mit Hypotheken belastet, eine Versteigerung habe noch nicht den gewünschten Erfolg gezeigt. Dabei könne gerade hier ethnische Ökonomie angesiedelt werden. «Nur an wen können wir uns in dieser Angelegenheit um Unterstützung wenden?»
Die grünen Flächen der Nordweststadt wurden vom Publikum einhellig als begrüßenswert beurteilt. «Die Architektur des Stadtteils ist gelungen», sagt ein Zuhörer. Die grünen Flächen lockerten das Bild auf. Die Nordweststadt sei nun mal kein gewachsenes Dorf. Es gebe hier keinen einzigen Verein. «Insofern haben die Schulen traditionell immer schon viel Integrationsarbeit geleistet», sagt ein pensionierter Lehrer. Diese sei immer schon gut gewesen, nur was helfe es, wenn die Jugendlichen nach ihrem Hauptschulabschluss einfach keine Arbeit fänden?
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