21.03.2006
Wie Schüler die Integration erleben
Schon in der Vorstellungsrunde wird deutlich, warum sich die Schüler der Klasse 12e der Ernst-Reuter-Schule 1 (ERS) intensiv mit dem Thema Integration beschäftigen.
Nur eine Handvoll Schüler hat zwei deutsche Eltern, viele Teilnehmer des Leistungskurses Politik/Wirtschaft sind so genannte „Deutsche mit Migrationshintergrund“. Der Kurs von Angelika Rieber lud gestern den Integrationsdezernenten Albrecht Magen (CDU) ein. „Kurz vor den Kommunalwahlen möchten wir hören, wie die Politik mit der Migration umgeht“, sagte Schüler Temel Özen.
Frankfurt sei die mit Abstand internationalste Großstadt in Deutschland. „Hier leben Menschen aus 175 Nationen, die folgenden Generationen werden wie selbstverständlich damit umgehen“, glaubt Magen. Manche Probleme bei der Integration würden deshalb in Zukunft nicht mehr auftauchen. Obwohl Frankfurt eine „relativ aufgeschlossene Stadt“ sei, weiß Magen: „Vorurteile gegen Mitmenschen gibt es in jeder Gesellschaft. Das lässt sich nur sehr langsam ändern, und die Politik kann hier nur wenig tun.“
Eine Möglichkeit, sich öffentlich zu beschweren, bietet die Antidiskriminierungsstelle. Diese steht selbstverständlich nicht nur ausländischen Mitbürgern zur Verfügung. Auf die Frage, welches Problem Ausländer typischerweise hätten, hatte Magen für die Schüler eine überraschende Antwort parat. „Häufig fühlen sich die Menschen auf den Ämtern nicht für voll genommen und ungerecht behandelt. Wenn wir die Fälle bei der Antidiskriminierungsstelle prüfen, stellt sich in den allermeisten Fällen heraus, dass es sich um Missverständnisse menschlicher oder sachlicher Art gehandelt hat.“ Dennoch seien diese Untersuchungen sehr wichtig, denn noch nie habe es mehr als eine Beschwerde über die gleiche Stelle gegeben, freute sich Magen über den Erfolg.
Scharfe Kritik übten die Schüler an dem in Baden-Württemberg und Hessen geplanten Einbürgerungstest. Michael warf der CDU Stimmungsmache vor der Wahl vor, Tayeb kritisierte den Generalverdacht gegen Muslime und Philip bezweifelte, dass alle Deutschen selbst die im Test erfragten Normen und Werte teilten. Angelika Rieber hat mit ihrer Klasse den Test durchgeführt, einige Schüler zudem mit ihren Eltern. Keiner von ihnen, nicht einmal die Lehrerin, hätten alles richtig beantworten können, klagten die Schüler ihrem Gast. Magen verteidigte den Test. Solche Einbürgerungstests gäbe es in vielen Ländern. Über das Thema wird der Integrationsbeirat des Landes Hessen mit dem Amt für multikulturelle Angelegenheiten (Amka) nach der Wahl beraten.
Die Frage nach der Integration an Schulen wurde ebenso angesprochen. „Die Sprache ist der springende Punkt. Die Kinder müssen schon vor der Schule richtig Deutsch sprechen können“, sagte Magen. Mit Programmen im Kindergarten und den Vorlaufkursen passiere auf diesem Gebiet viel in Frankfurt. Magen und die Schüler waren sich einig in der Kritik über die von der Bundesregierung geplanten Kürzung der Gelder für die Integrationskurse. In Frankfurt nahmen 2005 mehr als tausend Menschen daran teil.
Die Schule selbst erarbeitet ebenfalls Integrationsprojekte. Eines betrifft den Kurs. Im kommenden Jahr plant Frau Rieber eine Studienfahrt in die Türkei. „Diese Fahrt könnte für die ganze Schule Modellcharakter haben, denn als Ernst-Reuter-Schule haben wir eine besondere Verbindung zu diesem Land.“ Der Namensgeber der Schule emigrierte 1935 in die Türkei und kehrte erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in seine Heimat zurück. (axm)
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