18.08.2006
Was die alten Ortskerne brauchen
Von Sören Rabe
Nicht durch die Drohung mit dem Gesetz und baulichen Vorschriften, sondern nur über das intensive Gespräch mit dem jeweiligen Bauherrn ist effektiver Denkmalschutz auf lange Sicht möglich, sagt Stadtkonservator Stefan Timpe vom Denkmalschutzamt. Bei einem Rundgang mit den Frankfurter CDU-Stadtverordneten durch den historischen Kern von Niederursel, dem als denkmalgeschützte Gesamtanlage sein besonderes Augenmerk gilt, erklärte Timpe jetzt, welche Erfolge der Denkmalschutz dort zurzeit verzeichnen kann – und wo es nicht so gut läuft.
„Im Moment ist die Entwicklung in Niederursel aus denkmalschützerischer Sicht sehr gut“, sagt Timpe. Das liege vor allem daran, dass alte Häuer vor allem von Bauherren gekauft werden, die sich bewusst auf ein solches unter Denkmalschutz stehendes Gebäude kaufen. „Oft sind es junge Paare, die ganz genau wissen, auf was sie sich bei der Sanierung einlassen. Sie sind meist sehr offen für unsere Ratschläge.“ Nicht nur dem originalen Erhalt der alten Gebäude gegenüber, auch dem Einsatz der passenden Materialien. Etwa Lehm zur Wärmedämmung.
Als Paradebeispiel einer aus Denkmalsschutzsicht gelungenen Sanierung zeigt Timpe den Lokalpolitikern das Anwesen Alt-Niederursel 20 der Familie Busch gegenüber dem Gasthaus „Zu den 3 Raben“. „Auch die Zusammenarbeit mit dem Architekten Ulrich Fehrenbach verlief sehr gut.“ Dabei sei eine aus Denkmalschutzsicht gute Sanierung schwer. „Es gibt vieles zu bedenken. Wie sahen die Dachpfannen aus, wie die Fenster, welche Farbe hatte das Haus?“
Das 1581 errichtete Anwesen habe als einziges alle großen Brände in Niederursel überlebt. „Das erste große Feuer ist 1603 belegt. Weitere Feuer wüteten während des 30-jährigen Krieges von 1618–48. Und noch einmal 1671, als 72 Häuser ausbrannten.“ Die große Scheune im hinteren Teil des Grundstücks wurde irgendwann abgerissen. „Zu der Hofreite gehört heute noch das große Wirtschaftsgebäude entlang der Schüttgrabenstraße, das an das Wohnhaus anschließt.“ Hier sei es zum Glück gelungen, die Fassade des Wirtschaftsgebäudes fast komplett zu erhalten, obwohl dort für die Oma eine seniorengerechte Wohnung eingebaut wurde. „Die alten Fensteröffnungen und Fenster sind wiederhergestellt. Zwei zusätzliche Fenster wurden gut eingepasst, aber in ihrer Form deutlich als neu erkennbar eingearbeitet.“ Auch das Zierfachwerk des Wohnhauses sei sehr schön geworden.
In Niederursel gebe es zahlreiche alte Scheunen, sagt Timpe. „Viele stehen leer und verfallen.“ Immer öfter würden solche Scheunen in Niederursel zu Wohnungen umgebaut. Eine gute Lösung zum Erhalt der Gebäude, wie Timpe findet. „Auch wenn jeder Umbau aus Denkmalschutzsicht ein Kompromiss ist. Etwa weil zusätzliche Fenster benötigt werden.“ Gerade sei die Baugenehmigung zum Umbau einer 1717 errichteten Scheune auf dem Grundstück Alt-Niederursel 12 erteilt worden, das ein schönes Zierfachwerk und einen gut erhaltenen Gewölbekeller habe. Bei einer anderen Scheune in der Spielsgasse habe das Amt die Zustimmung versagt. „Der Investor wollte 24 Wohnungen hineinbauen. Das wäre zu viel gewesen.“
Sehr schön seien die beiden früheren Rathäuser in Niederursel erhalten. „Im Jahr 1132 erstmals urkundlich erwähnt, hatte das Dorf im Lauf der Jahrhunderte viele Besitzer. So teilten sich die Grafen von Solms-Rödelheim und die Stadt Frankfurt den Ort, die Hauptstraße wurde 1712 zur Grenze. Die Frankfurter bauten 1716 ein prächtiges Fachwerk-Rathaus. „Zwei Jahre später bauten die Grafen Solms für ihren Teil an der Ecke Alt-Niederursel und Spielsgasse ein noch prächtigeres Rathaus. In den 70er Jahren gab es einen wahren Fachwerkboom. Damals wurden viele Fachwerkhäuser, die zuvor verputzt waren, von dem Putz befreit.“ Doch oft sei das Fachwerk nicht dazu bestimmt gewesen, sichtbar zu werden und habe angefangen zu vergammeln. So auch beim Gasthaus „Zu den 3 Raben“. Im verputzten Erdgeschoss habe man sogar falsches Fachwerk auf die Fassade gelegt. „Als dieses vor zwei Jahren morsch war, kamen wir mit der Besitzerin ins Gespräch. Jetzt wird das Haus wieder verputzt.“
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