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22.07.2004

Reitclub Niederursel: Sportstudenten betreuen behinderte Kinder

Gut zehn Meter lagen bei ihrer ersten Begegnung zwischen Sarah Adler und der Stute Susi, doch für die kleine Sarah war der Abstand kaum groß genug. Völlig verängstigt habe sich die Neunjährige vor dem braven Pony verstecken wollen, erinnert sich ihre Lehrerin Christine Schneider, Grundstufenleiterin der Frankfurter Karl-Oppermann-Schule.

Diese Zeiten sind längst vorbei. Sarah reitet ihr Lieblingspferd Susi nicht nur, sie striegelt und putzt es auch und kratzt ihm die Hufe aus. Ihre anfängliche Angst hat die Zweitklässlerin, die den Umgang mit Pferden auf dem Hof des Reitclubs Niederursel (RCN) lernt und bei der zur Feier des Semesterabschlusses veranstalteten Kutschfahrt hinter dem Zweispanner herreiten darf, verloren. Unachtsam ist sie gleichwohl nicht: «Wenn man hinter einem Pferd steht, muss man aufpassen, dass es nicht tritt.»

Susi allerdings zeigt sich gutmütig. Schließlich ist das Pony speziell für die Arbeit mit behinderten Kindern und Jugendlichen ausgebildet. Das therapeutische Reiten, das sich in das Reiten als Behindertensport, die Hippotherapie – eine die herkömmliche Krankengymnastik ergänzende physiotherapeutische Behandlungsmethode – und das an den Bedürfnissen verhaltensauffälliger und schwer erziehbarer Kinder ausgerichtete heilpädagogische Reiten und Voltigieren gliedert, ist zentraler Teil der Vereinsarbeit. Seit zehn Jahren organisieren Christine Schneider und Rolf Döring, Gründer und Vorsitzender des RCN, wöchentliche Reitstunden für Schüler der Karl-Oppermann-Schule, die von Kindern mit Wahrnehmungsstörungen, motorischen Schwierigkeiten oder Verhaltensauffälligkeiten besucht wird, die nicht so zügig und konzentriert lernen können wie ihre Altersgenossen.

Seit Beginn des Sommersemesters 2004 sind erstmals auch Studenten des Institutes für Sportwissenschaften (IS) der Universität Frankfurt an dem Projekt beteiligt. Angeregt wurde die Zusammenarbeit von dem Dozenten Bernd Paschel, der selbst auf dem Niederurseler Hof reitet. «Für die Kinder ist die intensive Einzelbetreuung durch Studenten, die sich mit der menschlichen Motorik auskennen, von Vorteil. Andererseits bereichert die Arbeit mit den Schülern die normalerweise wenig praxisnahe Sportlehrerausbildung der Studenten.»

Die Wirkung des therapeutischen Reitens auf das Sozialverhalten, die körperliche Beweglichkeit und das Selbstvertrauen ihrer Schüler beeindruckt Christine Schneider. «Das Selbstbewusstsein vieler Schüler ist durch die Erfahrung, dass ihnen Dinge schwer fallen, die anderen Kindern keine Probleme bereiten, beeinträchtigt. Dadurch, dass sie merken, dass sie zu diesen großen Tieren eine Beziehung aufbauen können, gewinnen sie an Selbstsicherheit», erläutert die 53-Jährige. Oftmals sei, wie in Sarahs Fall, eine sprunghafte Entwicklung der motorischen Fähigkeiten zu beobachten.

Rolf Döring, der gemeinsam mit seinen ehrenamtlichen Mitarbeitern viele der Therapiepferde selbst aufgezogen und ausgebildet hat, plant, künftig kontinuierlich mit dem IS zusammenzuarbeiten. Trotz der notorisch knappen Mittel des RCN, der als nicht-kommerzieller Reitbetrieb keine professionellen Reitlehrer, sondern reiterlich qualifizierte Pädagogen mit der Betreuung und Anleitung der behinderten und nicht-behinderten Kinder und Erwachsenen betraut, ist der Fachübungsleiter Reiten zuversichtlich, dass die von allen Beteiligten geschätzte Kooperation zwischen Sportwissenschaftlern, Schulen und dem RCN Zukunft hat.

Allerdings sei der Verein auf Spenden angewiesen, um seine ehrenamtliche Arbeit fortsetzen zu können. «Der Hof am Oberurseler Weg 11, in dem unsere Pferde untergebracht sind, soll verkauft werden, und wenn wir hier bleiben wollen, werden wir ihn kaufen müssen», erklärt der Sozial- und Sonderpädagoge. Sandra Kütler ahnt von diesem Problem nichts. Die Achtjährige reitet, von einer Studentin geführt, hinter der großen Kutsche her und strahlt über das ganze Gesicht. Die Hälfte der Wegstrecke will sie auf dem Shetlandpony Jerry zurücklegen, die andere Hälfte auf Tom. Oder doch auf Bommel? Keine einfache Entscheidung – zumal ihr längst alle Ponys ans Herz gewachsen sind. (jul)

Wer die Arbeit des RCN unterstützen möchte, kann sich unter Telefon 76 24 20 an den Verein wenden.




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