04.10.2007
Andrang auf Niederursels Höfen
Niederursel. So voll waren die schmalen Gassen von Niederursel mit Sicherheit selten. Autos hatten es gestern schwer, einen Parkplatz zu finden oder in ihre Einfahrten zu gelangen. Beim „Tag der offenen Hof-Tore“ gehörten die Straßen des Stadtteils eindeutig den Fußgängern.
An jeder Ecke wiesen Pläne, eingerahmt von roten Wimpeln, daraufhin, was es in den zahlreichen kleinen Innenhöfen zu sehen gab. Und jeder wollte mal einen Blick drauf werfen.
Zum dritten Mal lud die anthroposophisch geprägte Einrichtung „der Hof“ in Alt-Niederursel 51 gemeinsam mit der Buchhandlung Amselhof, dem Reitclub, dem Waldorfkindergarten und anderen Werkstätten und einigen Künstlerateliers aus dem Stadtteil zum Tag der offenen Tür ein. Doch vom Ansturm am gestrigen Feiertag waren alle Beteiligten völlig überrascht. „In den vergangenen Jahren haben wir immer zum Samstag eingeladen. Da sind die Leute erst einkaufen gegangen und kamen dann nach und nach“, erzählte Justus Wittich vom „Hof“. Diesmal hingegen habe er den Eindruck, dass es weniger Alternativen in der Stadt gäbe. „Der Andrang ist bestimmt drei bis vier Mal so groß wie in den vergangenen Jahren.“
2000 Besucher vermutete Wittich gegen 15 Uhr in den Höfen und Gassen. Zu diesem Zeitpunkt waren die vorbereiteten zwölf Kisten Bio-Limonade schon geleert und auch die Kohle auf dem Grill verglühte bereits, die Würstchen waren längst ausverkauft. Um so längere Schlangen bildeten sich am Waffelstand und dem Kuchenverkauf der Teescheune. Einmal quer durch den Innenhof schlängelten sich die Wartenden, so dass kaum Platz war für Besucher, die an den Verkaufsständen zwischen Puppenkleidung und handgeflochtenen Körben stöbern wollten.
Wer seinen Hunger nicht mit etwas Süßem stillen wollte, dem blieben nur noch die Bio-Kartoffel-Spalten. Aber auch an diesem Stand reihten sich die Besucher bis auf die Gasse, die Mitarbeiter des Hofes kamen kaum nach mit der Fertigung. „So voll war es noch nie, wenn wir hier waren“, bestätigte eine Besucherin den Eindruck von Wittich. 40 Mitarbeiter hatte allein der „Hof“ im Einsatz. „Insgesamt sind es bestimmt 100 Aktive“, schätzte Wittich. In kürzester Zeit hatte er am Informationsstand des Hofes alle Tickets für einen Kinder-Specksteinkurs verkauft. „Und wir hatten gedacht, dass das trübe Wetter nicht so animierend sei.“
Weit gefehlt. Gegen 15 Uhr saßen rund 30 Kinder im Hof auf Heuballen und bearbeiteten unter Anleitung von Ulrike Schauß vom Atelier für Kunst und Therapie ihre Specksteine mit einer Feile. Ebenfalls groß war der Andrang bei Wolfgang Tapp. In seiner alten Dorfschmiede, deren Einrichtung noch von 1924 stammt, konnten die Kleinen erhitztes Metall mit einem Hammer bearbeiten. Für ihr Engagement durften Benedikt und Julius anschließend einen Handschmeichler aus Eisen mit nach Hause nehmen.
Die Erwachsenen begeisterte vor allem die einzigartige Atmosphäre in der kleine Schmiede. Der Ofen sowie die übrige Einrichtung stammen noch aus dem Jahre 1924, geschmiedet wird in Alt-Niederursel aber bereits seit 1803. Damals wurden dort wohl noch Hufeisen gefertigt. Diese hängen heute nur noch zur Zierde am Fenster. Wolfgang Tapp schmiedet andere Dinge, er hat sich der Kunst verschrieben. Er formt Kerzenständer, Blumenvasen, Armreifen und Miniatur-Staffeleien aus Metall.
Doch unter dem Motto „Groß mit Klein – kreativ zusammen sein“ verbargen sich nicht nur handwerkliche Angebote. Im Dachatelier des Kindergartenhofs lud Berta Heisterkamp zum Kindertanz. Akrobatik für Anfänger durfte im Amselhof erprobt werden, außerdem konnten Groß und Klein gemeinsam Filzen. Wer von all diesen Aktivitäten erschöpft war, konnte beim Puppentheater oder Vorlesen entspannen. Wer aber nicht genug hatte, auf den wartete die Schokokuss-Schleuder und das Kistenklettern des Horts „Die Gaukler“.
Doch nicht nur für die Kleinen, auch für die erwachsenen Besucher gab es Programm. Im „Blauen Haus“ stellten Maler Otto Möhwald und Keramiker Renée Reichenbach ihre Werke aus. Der Reitclub Niederursel lud die gesamte Familie zur Kutschfahrt. Im Bildhauer-Atelier von Joachim Kreutz konnten die Gäste zuschauen, wie mit der Hilfe von Presslufthämmern Figuren aus Naturstein entstehen.
„Mit unserem Motto haben wir offenbar eine Menge Menschen angesprochen“, resümierte Justus Wittich am Ende des Tages zufrieden. (kan)
Von Kathrin Jansen
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